Die Änderungen am neuen Polizeigesetz sind reine Makulatur und ändern nichts daran, dass es eine Bedrohung für Freiheit und Sicherheit bleibt.
Zwar wurde die umstrittene „Drohende Gefahr“ gestrichen, allerdings bleiben die schwammigen Vorgaben für die „drohende terroristische Gefahr“ in einigen Paragraphen (§20c, 34b und 34c). Gerade diese können durch Staatstrojaner, Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverbote und elektronische Aufenthaltsüberwachung das Leben sehr stark einschränken und ganze Existenzen zerstören. Und das alles auf der Grundlage, dass „auf gewisse Art und Weise konkretisierte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine terroristische Straftat begangen werden wird“ oder ein wie auch immer geartetetes „individuelles Verhalten“ dazu führt, dass die Polizei denkt, dass die Menschen terroristische Taten planen könnten.
Dabei fällt unter den Terrorismus-Katalog der Landesregierung auch die versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), ein Vorwurf der schnell im Gerangel von Demonstrationen auftaucht. Das ist und bleibt ein Skandal, unabhängig davon ob es angeblich verfassungskonform ist oder nicht. Dazu kommt, dass mit den parallel vorgenommen Datenschutzänderungen im Gesetz die Benachrichtigungspflicht des Betroffenen nach 5 Jahren in Zukunft entfallen kann und diese also von einer Überwachung mit Staatstrojaner nicht mal unbedingt etwas mitbekommen.
Viele kritische Punkte am Gesetz werden zudem durch die Änderungen gar nicht angetastet: Die uferlose Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte wird sogar ausgebaut: Orte, an denen bereits Straftaten begangen wurden, können prinzipiell nahezu uferlos überwacht werden. (z.B. Plätze und Parks) Es sollen nun auch alle „öffentlich zugänglichen Räume“ überwacht werden können, allein wenn die Polizei dort Verabredung oder Begehung von Straftaten vermutet. In dem Falle muss ein unverzügliches Einschreiten der Polizei möglich sein.
Strategische Fahndung, also Kontrollen und damit Repression von Personengruppen, sollen nach wie vor legalisiert werden. Das führt zu Racial Profiling, insbesondere da es keine wirksamen Gesetze und Abläufe zur Unterbindung gibt. Auch die Ausrüstung mit Tasern soll immer noch eingeführt werden, obwohl alle Studien zeigen, dass sie nicht bei der Abwehr von Gefahren helfen, sondern zu weiterer Gewaltanwendung und auch unsichtbarer Folter (durch Anwendung im Nahbereich) genutzt werden.
Ein starker Abbau von Beschuldigtenrechten wird an den neuen Regelungen zur Ingewahrsamnahme deutlich. Menschen sollen zur Abwehr beliebiger Straftaten (nicht „nur“ terroristischer) für bis zu 28 Tage eingesperrt werden können. Dabei wird anders als bei Untersuchungshaft nicht grundsätzlich ein Anwalt oder eine Anwältin zugeordnet, auch andere Beschuldigtenrechte wie Akteneinsicht u.ä. sind nicht vorgesehen. Dass zur bloßen Personalienfeststellung 7 Tage Gewahrsam möglich sein sollen, zeigt den Rachegedanken des Innenministers gegenüber erfolgreichem Widerstand – unwürdige Maßnahmen. Die in den letzten Jahren immer mehr vorgenommenen Ausweitungen der Ingewahrsamnahmen erinnern an das Konzept von Schutzhaft, mit welchem Menschen früher schon zur Vorbeugung weggesperrt wurden.
Eigentlich dachten wir diese Zeiten wären überwunden. Aber mit dem neuen Polizeigesetz werden weiterhin Lehren, die aus dem Schrecken der NS-Diktatur gezogen wurden, ausgehebelt. Grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats wie die Gewaltenteilung, die Trennung von polizeilichen und geheimpolizeilichen Aufgaben und die Unschuldsvermutung werden zunehmend aufgelöst. In einer Pressemitteilung von digitalcourage heißt es deshalb:
„Die Regierungsfraktionen erklären nicht, wie die Verschärfung für mehr Sicherheit sorgen soll. Das Gegenteil ist der Fall: Unsere Abwehrrechte gegen den Staat schaffen Sicherheit – und die werden durch den Gesetzentwurf ausgehöhlt.“
Jetzt ist weiterer Widerstand notwendig!